Ich fahre mit dem Auto gemächlich über den Marktplatz Richtung Hotel, als direkt vor dem Wagen ein etwas korpulenterer, älterer Herr mit Sandalen, Einkaufstasche und – Achtung KopfkinoAlarm - in weißer Feinrippunterwäsche meinen Weg kreuzt und selbstbewusst seinen Gang fortsetzt. Ok, das nenn‘ ich jetzt mal ein Willkommen der etwas anderen Art!
Auf Einladung des Tourismusverbandes Nürnberger Land (der o.g. Herr stand übrigens nicht mit auf dem Plan) bin ich hier in Hersbruck gelandet. 3 Tage darf ich in der Region verbringen, um Land und Leute kennenzulernen. Bin also mal in meiner fränkischen Heimat geblieben. Allerdings zwischen Oberpfalz und Nürnberg.
Um es schonmal gleich vorab zu sagen:
Es muss nicht immer höher – schneller – weiter sein. Und trotzdem ist in dieser Gegend wirklich viel zu erleben. Für die Aktiven: Sie können in den Klettersteig, kanufahren, Bogenschießen, Radfahren, wandern. Allerdings wie ich feststelle, irgendwie im entschleunigten Tempo.
Etwa beim Bogenschießen.
Wohlgemerkt beim innovativen Bogenschießen.
Anders als beim Sportschießen, spielt die Anzahl der Trefferringe hier eine untergeordnete Rolle, vielmehr liegt der Schwerpunkt auf der mentalen Ebene. Man schießt sozusagen aus dem Bauch heraus.
Durch die konzentrierte An- und Entspannung und das Zusammenspiel von Geist und Körper, können Blockaden gelöst und Stress abgebaut werden. So viel zum Fachlichen.
Die eigene Erkenntnis: Ja, trotz Muskelschmerz schafft es irgendwie eine Ausgeglichenheit. Aber um überhaupt mal zu treffen, gehört eine gewisse Technik schon dazu und die hat uns Trainer Catalin vermittelt. Ok ok, ich gebe es zu: man möchte nicht nur ausgeglichen sein.
Ich will dann schon auch gefälligst mal die Mitte treffen.
…nebenbei erwähnt: 4 Luftballons hab‘ ich erlegt!
Auch kanufahren funktioniert ganz im EntschleunigungsModus. Von Wildwasser keine Spur. Eher dann so gemütlich paddeln mit Entenfamilien am Uferrand beobachten, vorbeilaufenden Wanderern einen Gruß zurufen, neues in der Botanik entdecken und den Tag einen guten Mann sein lassen. Action ist höchstens beim Ein- und Aussteigen geboten.
Was hier Fakt ist, dass sich die Region nicht neu erfinden muss. Etwa wie bei vielen anderen Regionen, wo es heißt: Zurück zur Natur. Denn die ist schon immer so wie sie ist. Der Massentourismus ist hier nämlich nie angekommen – zum Glück! Deshalb ist es ja auch so entspannend.
Natürlich ist auch historisch einiges geboten.
Wir haben den historischen Industriepark im zauberhaften Ort Lauf erkundet. Das rund 3600m² große Gelände mit seinen denkmalgeschützten Gebäuden und großen Freiflächen fügt sich idyllisch zwischen der Laufer Altstadt und dem Fluss Pegnitz ein. Und unbedingt sollte man bei einer Führung mit den Altstadtfreunden einen Rundgang durch den Felsenkeller machen, der sich unter der Altstadt befindet.
Wir haben dem Hirten- und dem kleinen Kunstmuseum in Hersbruck einen Besuch abgestattet. Sind entspannt durch den Skulpturengraben mit seinen Installationen und KunstObjekten geschlendert. Haben bei den Jungs der Original Hersbrucker Bücherwerkstätte - sind eventuell vielleicht *augenzwinker* ein bisschen auch als Rentnergang zu bezeichnen - auf Einladung einen Einkehrschwung gemacht und uns von den Herren mit auf eine Zeitreise nehmen lassen. Nicht nur die Dinge in ihrer Werkstatt sind Originale *kopfschüttel*.
Die Druckerei befindet sich im Inneren einer mittelalterlichen Stadtmauer und ist vielleicht gerade mal 2,5m breit, dafür aber umso länger. Den Grundstein für die Gründung Bücherwerkstatt legten 1969 die beiden Schriftsetzer Michael Gölling und Günther Tobisch (o.g. Herren) – damals noch Lehrlinge. Heute sind sie immer noch am Start. Zusammen mit Gleichgesinnten und bekannten Literaten arbeiten sie seitdem abseits des großen Kulturbetriebes. Und um das Ganze zu finanzieren, erscheint seit 1975 jährlich in Zusammenarbeit mit einer/m ausgewählten AutorIn ein KunstKalender. Ich durfte mir netterweise einige Kalenderblätter die übrig waren, auch einheimsen. Die kunstvollen alten MetallLettern, in allen erdenklichen Ausführungen und Größen, sind genauso faszinierend wie die alten Holzschränke und Maschinen.
Es gibt keine offiziellen Öffnungszeiten. Aber die Herren freuen sich, wenn sie da sind, jederzeit über einen vorher angekündigten Besuch.
Die „Original Hersbrucker Bücherwerkstätte“ wurde 2020 sogar mit dem15.000 Euro dotierten Wolfram-von-Eschenbach-Preis des Bezirks Mittelfranken ausgezeichnet.
Es ist einfach schade, dass auch dieses alte Handwerk aussterben wird. Umso wichtiger ist es sich die alten „Kamellen“ mal anzuhören. Denn die Jungs sind wahrscheinlich mit die Letzen ihrer Zunft, die es in dieser Form und mit so viel Begeisterung noch erzählen können.
Apropos Originale: Ebenfalls ein Highlight war der Besuch in der Kamm Manufaktur von Melanie Groetsch. Schon die idyllische Lage der alten Mühle, in der sich auch ihre Werkstatt befindet, ist unbedingt ein Besuch wert. Melanies Großvater war der letzte Kammmachermeister in Deutschland. Früher wurden die Kämme aus Elfenbein, Horn und dann aus Kunststoff hergestellt. Holz war eher für arme Leute gedacht. Heute geht es wieder zurück zu den Wurzeln: Sie arbeitet mit heimischen Hölzern wie der Kirsche, Ahorn, Hainbuche, Elsbeere und Speierling. Eben im Bewusstsein um die Ressourcen. Denn auch der Strom kommt aus der eigenen Mühle.
Melanie öffnet uns die alte Eisetür zur Werkstatt und schon…
steht die Zeit still.
Eine dicke Sägespän- und Staubschicht liegt auf allem - den jahrzehnte alten Maschinen, Boden und Regalen. Die blinden Fensterscheiben und das herunterhängende, vertrocknete Efeu, das durch die Lücken im Dach seinen Weg gefunden hat, tun ihr übriges. Melanie erzählt uns von der Kammherstellung und der fast 170jährigen Familientradition der Manufaktur – Kaffee und Kuchen gab`s übrigens auch. Das Nürnberger Land ist eine Genussregion, in der altes Handwerk noch gelebt wird. Noch stundenlang könnte ich hier sitzen, meinen Schokokuchen essen, den Hund von Melanie streicheln und mich mit ihr und meinen TravelBuddies quer über den Tisch unterhalten. Aber es gibt ja noch viel zu entdecken. Also, weiter geht die Reise…
„Kämm aus, noch ist es Zeit,
die Sünd’ und Eitelkeit“
Auch wenn die KammMacherin keine offiziellen Öffnungszeiten hat, ist auf telefonische Anfrage jederzeit ein Besuch möglich. Wir sind später mit Melanie Groetsch noch durch ihre Region gewandert, da sie auch als Touristenführerin tätig ist. Als Heilpraktikerin bietet sie übrigens Interessierten Kurse im „Waldbaden“ an. Also alles ganz spannend, auf seine Weise.
Ja, das ist u.a. das Schöne an einer Pressereise: Du lernst Menschen kennen, die du nur kennenlernst, wenn du offen für neues bist und auch mal die Gelegenheit nutzt, hinter den Zaun zu blicken anstatt nur daran vorbeizulaufen.
Und ich kann solche Geschichten dann für euch auf meinem Blog teilen.
Ach ist das schön!
KULINARIK
Die fränkische Küche ist schon ganz besonders – ganz besonders gut! Und weil, wenn man auf die Uhr schaut auch immer gleich Essenzeit ist – gefühlt alle Stunde – stelle ich euch noch ein paar Restaurants vor, für die es sich lohnt beim Gang zuhause auf die Waage, eine zeitlang lieber den Umweg zu nutzen...
Im „Grünen Schwan“ in Eschenbach ist der Wirt mindestens so kreativ wie seine Speisekarte. Aber ich habe hier den besten Topfenstrudel ever gegessen. Und es gibt zudem einen sehr schönen Biergarten.
Alleine der Anblick des wunderschön restaurierten Fachwerkhauses, in dem sich das Restaurant „Zwinger“ in Lauf befindet, lohnt sich. Mit dem guten Essen auf der idyllischen Terrasse lohnt sich ein Besuch gleich doppelt.
Und der XXL Saibling, der beim „Pechwirt“ in Artelshofen auf den Teller kam – man kann nur staunen. Nebenbei erwähnt, ist gegenüber der Gastwirtschaft übrigens eine Ausstiegsstelle für Kanufahrer.
Fazit:
Wir haben im Anschluss an die Reise auch untereinander diskutiert, wie wir als „Touristen“ die Region sehen und sind einstimmig zu folgender Erkenntnis gekommen:
· Action in Verbindung mit Kultur
· auf einem kleinen Gebiet diese große Vielfalt
· slow tourism - ehrlich und authentisch
…oder als hätte jemand das alles ganz nach meinem Geschmack für mich alleine geplant – ok, haben sie ja auch irgendwie. Aber, ich bin sicher, ihr würdet die Tage ebenso genießen wie ich.
Grüße Sylvie
Dieser Beitrag entstand auf Einladung vom Nürnberger Land Tourismus
Links:
BeFree - Outdoraktivitäten Kanu, Klettern und Bogenschießen
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